Neumond

Neumond © Matthias Mala

Neumond © Matthias Mala

Der neue Mond scheint und wird bald untergehen. Hier in der Stadt werde ich diesen Untergang nicht sehen. Ich habe ihn im Winter auf Malta gesehen, als der neue Mond als blutrote Sichel der Sonne folgend im Meer versank. Ich habe ihn einmal um Johannis in der Uckermark gesehen, als er als milchiger Bogen der untergehenden Sonne folgend im abendhellen Horizont verschwand. Ich weiß, obwohl ich es nicht sehen werde, dass dies auch heute geschehen wird. Realität ist nicht nur unmittelbare Wahrnehmung, sondern auch das Wissen um die Dinge. So kann ich mir denken, da der Jupiter eine Atmosphäre hat, dass dort die Stürme ohrenbetäubend sein müssen. Wer das nicht weiß, wird es für Irreal halten.

Jede Realität ist subjektiv. Andererseits ist sie auch objektiv, da wir unabhängig voneinander das Gleiche als gleich erkennen. Es gibt objektive Übereinstimmungen und subjektive Abweichungen, so wie es auch intersubjektive Wirklichkeiten gibt, die nur innerhalb einer Gruppe als Realität erkannt werden.

Doch nun einen Schritt weiter. Es gibt ein Erleben, dass mich sprachlos macht. Ich stehe manchmal in einer Dimension, für die ich keine Worte habe, sie zu beschreiben, weil mir etwas widerfährt, was ich mit meiner Realitätserfahrung nicht deuten kann. Und ich erlebe diese Dimension als ein in mir und ein um mich sein. Hier bin ich nicht mehr ich, der deutet und benennt, sondern hier ist Wesen. Diese Dimension erscheint mir unermesslich, sie ist still und doch voll Klang, sie ist von einer Wirklichkeit, die meine Wirklichkeit übertrifft. Sie kann nicht geglaubt werden, sondern sie widerfährt.

Sie ist der Raum, aus dem heraus wahrer Zauber in die Welt tritt. – Dies ist allerdings wieder Meinung und subjektive Deutung. Und doch glaube ich, dass es etliche Menschen gibt, die diesen Raum erfahren und mit ihm verbunden sind.

Am 20. Mai ist der neue Mond wieder nahe der Abendsonne zu sehen.