A Leich

Melancholie

Melancholie © Matthias Mala

Die Schneedecke war aufgebrochen. Daneben ein Haufen aufgeworfene Erde. Eine Grube, ungewöhnlich tief für ein Grab. Als das letzte Lied für die Verstorbene erklang, verstummten die Krähen, dafür sang eine Amsel. Reihum warf ein jeder eine Schaufel Erde auf den Sarg in der Grube und eine Handvoll Rosenblätter hinterher.

Im Wirtshaus fand man sich zur Leich ein. Die Wärme tat gut, und man dachte an die Kälte auf dem Friedhof. Ob die Verstorbene jetzt frieren würde? Nein, unter der Erde würde es ihr sogar warm werden. So sinnierte man vor sich hin, über die Tote, über ihr Leben, über dies und das und immer wieder gab es eine Verdrehung, die die Gesellschaft lachen ließ. Es war wie so oft auf einer Leich, Trauer und Witz vermischten sich, zur Melancholie des Übergangs. Denn jedes Sterben ist ebenso Verlust wie Gewinn von Leben. Es schafft Raum für Wandlung. Weiterlesen

Narr und Mystiker


Für das neue Heft der „Connection spirit“ zum Thema „Religion & Wissenschaft“ habe ich einen Aufsatz über den Mystiker als Narr verfasst. Hierin schildere ich die Situation von Menschen, die, weil sie die Absurdität unseres Alltages erkennen, gleichzeitig einen Blick über den Zaun hinweg in transzendente Sphären werfen. Die Segnung, die sie durch diese mystische Schau erhalten, ermöglicht es ihnen, statt an der Welt zu verzweifeln, herzhaft über sie zu lachen. Sie lachen über den bitteren Ernst, mit dem ihre Mitwelt das absurde Spiel unhinterfragt fortsetzt; und sollte sie es doch einmal hinterfragen, es lediglich ein wenig reformiert, um im gewohnten Trott fortfahren zu können. Ihr gelingt es nicht, mit dem Unsinn zu brechen, weil sie sich dazu nie ernsthaft die Sinnfrage stellt.

Der Narr lacht freilich die Menschen nicht aus, noch lacht er wirklich über sie. Nein, er lacht, weil ihm aus seiner spirituell durchwirkten Wahrnehmung heraus unsere ganze Geschäftigkeit nur als Tand erscheint. Er lacht, aber auch über das Leid, das er dabei sieht, wie wir durch Ablenkung unser eigentliches Leben vergeuden und die Schönheit der Schöpfung übersehen; wie wir quasi nur ein halbes Leben führen. Er lacht, weil ihn unsere Ignoranz zutiefst verschreckt. Es ist ein Schrecklachen, das dem Mitleid entspringt. Er lacht mithin aus Anteilnahme. Er lacht aber auch über uns, so wie wir über den dummen August lachen, über den Tolpatsch, der von einem selbstverschuldeten Missgeschick ins andere stolpert. Auch dies ist ein mitleidiges Lachen. Wir erkennen uns in ihm und lachen über unsere eigene Torheit; und so lacht der mystische Narr, wenn er über uns lacht, letztlich über sein Alter Ego.

Deswegen gibt man den Narren auch eine Klatsche in die Hand, mit der er schmetternde aber schmerzfreie Schläge austeilen kann. Sie sollen uns aufschrecken, um die Welt für einen Augenblick mit anderen Augen wahrzunehmen. Es sind solche Schrecksekunden, die uns manchmal heilsam erschrecken und uns tatsächlich zum Anstoß werden, unser Leben in eine andere erfüllende Richtung zu lenken.

Immerhin ist der Sinn für Humor eine wertvolle Eigenschaft, um leichter neue Wege zu beschreiten. Auf dem Video, das ich gestern zufällig zeitgleich mit der „Connection spirit“ erhielt, sehen Sie ein kleines Mädchen – ich gehe mal davon aus, dass es eins ist, weil es rosa gewandet ist – obgleich Rosa eigentlich die Farbe des kleinen Mars ist -, jedenfalls das Mädchen, lacht herzlich über etwas völlig unerwartetes. Nämlich über die Erkenntnis, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Ja, dass das Sosein von jetzt auf nachher ein Anderssein sein kann. Es ist eine beinahe mystische Erkenntnis, die ihm da zuteil wird. Bleibt das Kind so herrlich unverbildet wird aus ihm womöglich eine Weise, wenn nicht gar eine Mystikerin werden. – Doch sehen Sie selbst: