Als ich um die Ecke biegend in meine Straße schwenkte, blendete mich kupfergoldenes Licht. Ich blinzelte in den orangenen Sonnenball, sah wie silberhelle Fäden durch den Abenddunst auf die Sonne wiesen, als wollten sie mir den Weg durch das goldene Tor flankieren. Ja, mit jedem Schritt, den ich in meine Gasse hineinging, war es mir, als wollte mich die Sonne erheben und mit ihrer milden Wärme umschließen. In mir regte sich ein Gefühl, als wäre ich am Ziel, einem Ziel, das ich nie suchte, geschweige denn je verfolgt hätte. Es war ein himmlisches Gefühl von Heimat. Vielleicht war es das Gefühl, das ich einst als vierjähriger Bub erheischen wollte, als ich an einem Sommerabend nahe unserem Haus über die Heide auf die untergehende Sonne zulief, die zum greifen nahe dem Horizont entgegenrollte. Je näher sie der Himmelslinie rückte, desto schneller lief ich, denn sie schien sich gleichzeitig auch mir immer weiter zu nähern. Nur noch wenige Wiesenflecken überwinden, dann hätte ich sie erreicht. Doch mit jedem Schritt entfernte sich die Sonne wieder, bewahrte ihre nähernde Distanz. Dann berührte sie den Horizont und ich sank atemlos ins Gras. Sie war unerreichbar und doch so nah. Wie gerne hätte ich sie eingefangen, hätte sie berührt, mich an ihrem Glanz erfreut. Nun aber versank sie hinter der Heide. Schmollend wandte ich mich ab. Doch das nächste Mal, ganz gewiss, würde ich sie erwischen. – Ich kann mich allerdings an keinen weiteren Versuch erinnern, die Sonne einzufangen.
Doch jetzt lockte sie mich, als erinnere sie sich, an den kleinen Jungen, der ich einmal war, und als wollte sie sich, für ihre damalige Flucht um Verzeihung heischend, mit mir vermählen. Ich lächelte darüber und sah dabei in die lächelnden Gesichter der Menschen auf der Straße. Wir waren allesamt verzaubert, vereint an diesem späten Herbsttag, der trotz seiner Frische noch Wärme versprach. In einer Woche würden wir wieder grüne Weihnachten haben. Weiterlesen