Haltung halten

Bewahren Sie sich Ihre Haltung in einer Zeit, in der man Ihnen Haltung auferlegen will.
Weihnachtsmann mit Covid-Bartmaske © Matthias Mala

Es sind weniger die Schwierigkeiten des Alltags, die unser Leben schwierig machen, als unsere Haltung mit diesen Schwierigkeiten umzugehen. Diese Haltung hat einzig Wert, solange sie uns selbst entstammt; solange sie unsere beste Wahl aus der Summe der vielen Haltungen ist, die uns vermittelt wurden und werden. Diese beste Wahl aber ist nur möglich, solange wir die uns induzierten Haltungen allesamt verwerfen; denn jeder Menschenhalter will nur haltungslose Klone seiner dominanten Lebenshaltung. Lassen wir uns dagegen von der Liebe zu uns selbst und zu unserer Mitwelt leiten, vermögen wir uns und anderen das Leben zu erleichtern, ohne ihnen unsere Haltung zu oktroyieren.

Darum verwerfen Sie bitte das Gesagte, solange es nicht Ihre eigene wohl geformte Haltung ist! So wird nichts billig, was Sie darstellen und vermitteln. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen trotz aller Unbill eine teure und distinguierte Weile. Seien Sie es sich wert!

Fröhliche Weihnachten

Freigeist

Wolkenbrücke © Matthias Mala

Irgendwann wird es einem jeden, der kritisch in die Welt blickt, zuviel. Was er sieht, ist immer wieder das gleiche Elend. Seit Beginn der Menschheit herrschen Einfalt und Gier, gibt es Kriege und Not. Die Zeiten, in denen es für eine Generation Frieden gab, sind rar und wenn, gab es dafür meistens Gewalt und Unterdrückung im inneren des Landes. Wer also von der Dummheit in der Welt und um einen herum genug hat, nimmt sich irgendwann die Freiheit, frei zu sein. Häufig geschieht das wie eine Infektion, die sich gesellschaftlich ausbreitet. Plötzlich verändern immer mehr Leute ihren Lebensstil, rotten sich zusammen und proklamieren einen „alternativen“ Lebensstil. Das war schon in der Antike so und ist heutzutage nicht anders. Meistens haben diese Bewegungen einen religiösen oder zumindest heilsbringenden Charakter. Allerdings kann dieses Heil für viele tödlich enden. Mit Luther begann nicht nur die Reformation, sondern auch die Hexenverfolgung. Marx‘ Theorien führten zum kommunistischen Massenmord, und der euphorischen Hatz in den ersten Weltkrieg folgte der Faschismus in Europa. Weiterlesen

Selbstsuche

Kotz
Selbstentdeckung © Matthias Mala

Eines Tages begann er oder sie zu suchen. Sie suchten nichts spezielles, ja sie wussten eigentlich nicht, was sie suchten, somit fanden sie zwar einiges, aber nicht das, was sie meinten, zu suchen; weshalb sie ihre Suche, selbst wenn gar Goldadern darunter waren, nicht befriedigte. Also hielten sie inne und überlegten, was denn das Objekt ihrer Suche sein könnte. Manche meinten, man solle Gott suchen. Doch der sei ja schon da, wussten andere, glaubhaft zu versichern. Wieder andere meinten, dass man nach Gott gar nicht suchen könne, weil sich dieser offenbaren würde. Und ehe daraus ein fürchterlicher Streit entbrannte, an dessen Ende man sich die Köpfe einschlagen würde – denn das so etwas geschähe, dafür genügte ein Blick in die Geschichte – hing man die ganze Suche ein wenig tiefer und begann, sich selbst zu suchen.

Zwar wusste niemand, der sich selbst zu suchen begann, was denn sein Selbst sei, doch hatte jeder so sein Selbstverständnis davon, was es denn sein könnte. Einige setzten sich vor Spiegel und fragten ihr Spiegelbild tagelang „Wer bist du?“ und wurden darüber verrückt. Die, die nicht verrückt wurden, fanden ihr Selbst zwar auch nicht, doch sie glaubten es gefunden zu haben, just nachdem sie gemeinsam mit ihrem Spiegelbild einschliefen und meinten fortan, erleuchtet zu sein. Andere machten andere verrückte Dinge, sie hatten Sex oder nahmen Drogen bis sie delirierten, andere schufteten 16 Stunden am Tag, wieder andere gründeten Familien oder gingen in die Politik, allesamt fanden sie ihr Selbst und bewahrten es. In Wahrheit aber sperrten sie sich selbst in den Käfig ihrer eigenen Vorurteile von sich selbst. Jedoch die meisten von ihnen waren damit glücklich. Gelegentliche Zweifel überwanden sie, indem sie andere darüber belehrten, wie man zu sich selbst finden konnte. Letztlich starb ihr Selbst mit ihnen selbstzufrieden. Weiterlesen

Erleuchten wir die Welt?

Innen © Matthias Mala

Eine Freundin will nach Dharamsala am Rande des Himalaya reisen, um den Dalai Lama noch in seiner angestammten Umgebung zu sehen, ehe er stirbt. Ein anderer Freund wallfahrt fast jedes Jahr nach Rom, um den Papst zu sehen. Zweimal war er auch bei päpstlichen Audienzen dabei. Wieder ein anderer Freund besucht Amma, wenn sie ins Land kommt, um sich von ihr umarmen zu lassen. Alle drei sind davon überzeugt, dass diese Religionsführer über besondere Spiritualität und außergewöhnliche Kraft und Einsicht verfügen. Ihre Überzeugung von der transzendentalen Kraft dieser Menschen ist so stark, dass sie nicht enttäuscht werden können.

Wieder andere Menschen lassen sich von einem vermeintlich Heiligen weniger überzeugen als von einem heiligen Ort. Hier ist es dann die besondere magische Kraft, die sich über Jahrtausende sammeln konnte und so den Ort zu einem Quell spiritueller Energie verwandelte. Der Berg Sinai auf dem Moses von Gott die Thora und mit ihr die zehn Gebote erhielt, ist ein solch uraltes und auch heute noch attraktives heiliges Ziel für Pilger.

Doch das Heilige lebt ebensowenig in einem Heiligen noch an einem heiligen Ort, andernfalls wäre die Welt längst eine andere als sie ist. Was dagegen wirkt ist die Sehnsucht nach Heiligkeit, die uns in Bewegung setzt und uns anregt, ziemlich absurde Dinge zu tun. Im günstigsten Fall geht es harmlos aus, endet womöglich in einem Drogenrausch zwecks erhöhter Ekstase, schlimmstenfalls kann unser geistliches Streben blutig in einem Massaker oder Krieg enden.

Solange wir das Heilige außerhalb von uns selbst suchen, werden wir uns täuschen; denn es schlummert nicht in einem anderen Menschen, wiegt sich nicht in einem Baum, quillt aus keiner Quelle und fällt auch nicht wie Manna vom Himmel. Wir können durch unsere Suche und Zuweisung zwar einen magischen Raum kreieren, doch die hiermit sinnlich erlebte Magie bleibt nur ein Abbild unseres Sehnens. Was wir im äußeren sehen und erkennen, ist nur eine Reflexion unserer inneren Bedingtheit. Auch die Magie, die wir meinen zu spüren, sobald wir Heiliges wittern, bleibt nur das Echo unseres Rufs.

All das vermag ein jeder zu beobachten, der sich auf den Weg macht, das Höchste zu erkunden. Jedoch verlässt er dabei nie sein Haus, sondern blickt immer nur durchs Fenster hinaus und sieht dabei kein Außen, sondern nur die Spiegelung des Inneren in den Scheiben. Denn draußen ist es dunkel. Denn draußen ist es so hell, dass wir geblendet werden. Wir können es uns aussuchen, wie wir es nennen wollen; der Effekt bleibt derselbe. Außen ist nichts. Wir sehen nichts. Es gibt im Außen keine geistliche Entdeckung.

Also sollten wir schauen, was in uns wirkt. In uns wirkt jene großartige Magie, die wir im Außen finden wollen, und dort auch scheinbar finden, sobald wir sie dort suchen. Indes weht das Himmlische, das uns vermeintlich im Außen berührt, allein in uns, und allein in uns lebt der Heilige, den wir meinen, in einem anderen Menschen, einem Guru, zu erkennen. Nur leider ist uns das zu schäbig. Es ist ja nur unseres und nicht das andere, das wir uns einverleiben, in uns einsenken lassen wollen, damit es uns bereichert und uns zu mehr macht, als wir sind.

Und weil wir so sind, werden wir immer ärmer, wir verlieren uns im äußeren, verschwenden unsere Spiritualität an andere, anstatt sie in uns zu pflegen und zu bewahren. Dabei sind wir aus dem Himmel – aus dem Nichts – gefallen und in diese Welt geboren worden, um sie zu schauen und hierdurch zu beleben. Sie ist so schön, wie wir sie schauen. Sie ist so frei, wie wir frei sein wollen. Erhellen wir sie, indem wir sie schauen. Lassen wir uns nicht blenden; und blenden wir uns nicht selbst.

Trump trifft Esoterik

Spirale von Ruth Mala © Matthias Mala

Spirale von Ruth Mala © Matthias Mala

Byron Katie hat aus ihrer Psychotherapieerfahrenheit eine eigene Methode – „The Work“ – für den Psychomarkt entwickelt. Die Methode mutet mich recht esoterisch an. Sie ist sehr reduziert. Es geht immer wieder um Selbstreflexion und Perspektivwechsel in einem selbst. Ein Thema, das bei mir in letzter Zeit häufiger zum Frühstück um den Tisch kreist. Anlass sind meist Gedanken über den Echoraum, von dem sich so mancher Geist beschallen lässt, und dessen Echowellen ihn gleich Betonrüttlern den Beton in seiner Wesenheit verdichten, bis er starr und steinern in sich ruht. Ein solcher Mensch ist gut und glücklich, denn er irrt sich nie! – Ich hingegen bemitleide diese „Glücklichen“.

Doch zurück zu Byron Katie. Ihre Methode mutet mich weiters wie gelungener Solipsimus an. Demnach ist die Welt in meinem Kopf, und sie ändert sich, sobald sich der Inhalt im Kopf verändert. Wobei auch die Anstöße zur Änderung nur in mir entstehen. Das ist der totale Echoraum. Und in ihm kann geschehen, was in noch vernetzten Echoräumen nicht entstehen kann, Starr und Stein gerät durch die Eigenbeschallung ins bröseln und reduziert sich letztlich bis zum Nirwana. Denn auch das eigene Echo wird als Maya, als große Täuschung, erkannt, das uns von der letzten Erlösung, dem Nichtsein im Allsein und umgekehrt usw. usf. blabla, abhalten soll.

Somit gibt es keinen Trump und keine Welt mehr, alles ist reduziert, wie ein fein gerechter Zengarten: Kieslinien mit nur einer Macke! Und diese Macke ist man selbst. Okay … Es stimmt ebenso, wie es Blödsinn ist!

Doch erneut zurück zu Byron Katie, hier ein Link auf ein Video eines Works mit ihr, auf das ich zufällig stieß, und das die Behandlung der kollektiven Irritation hinsichtlich Trump zeigt. Es ist amüsant und hoffentlich ein Anstoß, der vielleicht die Türe eines Echoraumes aufstößt, auf dass die Magie der Widersprüchlichkeit mal wieder in einer Person Fahrt aufnimmt.

Immergleich

Südfriedhof © Matthias Mala

Südfriedhof © Matthias Mala

Das Radio läuft. Launig erzählt jemand, wie ein Abt vor mehr als tausend Jahren Straßen in den Wald bauen ließ, um die Rodungen voranzutreiben. Zugleich fällt mir dazu ein, wie diese braven Mönche Wotaneichen abholzten, um die Machtlosigkeit der heidnischen Götter zu demonstrieren. Manch einer dieser Mönche bezahlte zwar seinen Frevel mit dem Leben, doch wurde er darauf zum Märtyrer und Heiligen. Gleichzeitig assoziiere ich zu islamischen Märtyrer, nach denen heute Moscheen und Schulen benannt werden. Doch zurück zu den Mönchen, die in den Lebensraum der Heiden eindrangen, ihnen ihren Glauben aufdrängten und im Gegenzug ihre Rituale und Bräuche übernahmen und umdeuteten. Damit verschwand deren Kultur, und wer sich dennoch dem neuen Glauben verweigerte, büßte mit seinem Leben. So löste unsere christliche Kultur die heidnische ab. Und weiter dachte ich, was hier so launig erzählt wurde, wird in anderer Weise in China erzählt, wo man aktuell die Kulturrevolution und Mao heroisiert. Der millionenfache Mord und die herrschsüchtige Vereinnahmung der Gedanken durch die revolutionären Garden, unterscheiden sich prinzipiell nicht von den Untaten der Mönche, Mullahs und allen anderen Missionaren, die die Menschheit mit ihren Ideen beglücken wollen. „Denkt so wie ich und alles wird gut“, so die immer wiederkehrende Begründung der wahnhaften Menschheitsbeglücker.

Derart motiviert wurden im Laufe der Menschheitsgeschichte Abermillionen Menschen ermordet und Männer in Kriegen verheizt. Weiterlesen

Der blinde Fleck

Objet trouvé von Ruth Mala © Matthias Mala

Objet trouvé von Ruth Mala © Matthias Mala

Jeder Mensch besitzt natürlicherweise einen Punkt, den sein Auge nicht sieht. Er wird blinder Fleck genannt. Er ist notwendig für die Sehfähigkeit des Auges, denn es ist der Sehnerv selbst, der die Sicht ein wenig verblindet. Das spezielle des blinden Fleckes ist, dass wir ihn nicht erkennen, sondern das fehlende Sichtfeld einfach ergänzen. Unser Hirn täuscht uns dazu eine optische Wahrnehmung vor, wo keine ist.

Soweit so gut. Wir sehen trotz physiologisch beschränkter Wahrnehmung ausreichend genau und sind deswegen in unserem Alltag nicht behindert. Ja, bis ins 17. Jahrhundert hinein wusste die Menschheit nicht einmal, dass jeder Mensch einen blinden Fleck mit sich herumträgt. Seitdem aber ist er eine beliebte Metapher für die beschränkte Sicht auf die Dinge und die Welt, der jeder Einzelne grundsätzlich ausgesetzt ist, da wir uns so oder so buchstäblich auch mit Scheuklappen durch die Welt bewegen. Weiterlesen