Der Zauber liegt im Auge des Betrachters

Sehen bis Nichts © Matthias Mala

Sehen bis Nichts © Matthias Mala

Jetzt, wo die Tage immer kürzer werden und die Finsternis immer tiefer wird, erinnere ich mir das 70. Lied des Stundenbuches der weißen Magie. Es fügt sich angemessen in die dunkle Zeit, nicht als Keim einer Hoffnung – das wäre banal -, sondern als erleuchtendes Moment, um die Finsternis mit all ihren Schatten anzunehmen und seinzulassen, was sie ist, nämlich notwendiger Gegensatz zu dem was ist. Oder um es anders auszudrücken, jegliches Wissen steht im Schatten des Nichtwissens, so wie jede Erkenntnis im Schatten der Erkenntnislosigkeit steht.

Losung

Die Welt, die die Welt trägt, ist der Welt ein Gegensatz. Doch der Geist, der diese Welten samt ihres Gegensatzes trägt, steht zu nichts im Gegensatz. Er ist von der Kraft ursprünglichen Seins, die beiden Welten ihren Odem spendet.

Versenkung

Ein Jüngling führte einen Blinden. Der Blinde fragte ihn, was er sehe. Der Jüngling beschrieb ihm die Dinge auf ihrem Weg. Doch der Blinde war darüber unzufrieden: „Du erzählst mir nicht mehr, als ich ertaste. Kannst du denn nicht die Seele der Dinge mit deinen Augen sehen?“ „Wie sollte ich das?“, entgegnete der Jüngling. „Du musst die Welt mit anderen Augen sehen“, meinte der Blinde. „Wie soll ich die Welt mit anderen Augen schauen? Ich habe nur diese“, klagte sein Führer. „Dann sieh sie mit meinen Augen“, riet ihm der Blinde. „Wie soll ich sie mit deinen Augen sehen, wo du die Welt durch meine Augen siehst?“, lachte der Jüngling. „Sieh mit deinem Herzen“, antwortete der Blinde. Der Jüngling schwieg darauf und sah. Nach einer Weile seufzte der Blinde dankbar und sagte: „Ja, so schön ist die Welt, erzähl mir mehr davon.“ Sein Führer betrachtete weiter schweigend die Welt. Und beide wandelten auf dem Pfad und wer sie sah, vermochte nicht zu sagen, welcher der beiden Sehenden der Blinde sein sollte.

Will ich den Grund hinter meinen Empfindungen sehen? Und will ich auch hinter diesen Grund blicken?

 Stimmung

Mit Leichtigkeit führe ich den Stab von der Einheit zur Zweiheit; hebe ihn zur Dreiheit, um ihn in der Vierheit zu senken. Springt die Kraft über, sehe ich das Kristall des Fünfsterns. Sehe, wie es sich in sich beständig wechselnd verkehrt und die Kraft kaskadengleich befördert. Ich bitte um die Einsicht, die Einsicht in mir wirken zu lassen.

Das Stundenbuch der weißen Magie können Sie hier beziehen, es kommt, sofern Sie es bis Ende der Woche bestellen, noch vor Weihnachten bei Ihnen an.

Weiße Orchidee

weiße Orchidee © Matthias Mala

weiße Orchidee © Matthias Mala

Sanfter Wind streicht durch die Pappelreihe, die den Feldweg säumt. Ein munteres Rascheln liegt in der Luft, wir blicken auf. Silbrig grünes Laub flittert und flüstert, als wollte es uns ein Geheimnis mitteilen. Wir verlassen die halbe Allee und wandern über die offene Wiese. Milde Wärme der Abendsonne umfasst uns, unsere langen Schatten begleiten uns über die sattgrünen Matten. Goldenes Licht liegt über dem Land. Es ist ein gottvoll lauer Abend nach einem heißen Tag.

An ein paar Halmen in der Wiese haben sich Dutzende von Kohlweißlingen versammelt. Es scheint, als blühte inmitten der Wiese eine weiße Orchidee. Die Falter verharren nur kurz unbewegt, dann schlagen sie unhörbar mit ihren Flügeln, ohne vom Halm zu flattern. Ihre Bewegung gleicht dem Spiel der Pappelblätter; nur wechselt hier der Farbton zwischen Silber und Weiß. Wir verharren eine gute Weile und beobachten das Spiel. Weitere weiße Schmetterlinge kommen hinzu, doch keiner flattert davon. Schließlich spazieren wir auf das Dorf zu, die Schmetterlinge bleiben zurück als weiße Orchidee im Wiesengrund … Weiterlesen

Geistlose Geschwätzigkeit

Wahrheit © Matthias Mala

Wahrheit © Matthias Mala

Treten wir durch stille Betrachtung unseres Seins und Mitseins in jene Sphäre über, in der die Betrachtung nicht mehr die unsere, sondern scheinbar eine fremde ist, also in jenen geistigen Ausnahmezustand der Mystiker ein, in dem sie von ihrer Mitwelt schlicht für irre gehalten und womöglich später heiliggesprochen wurden, dann … Dann gibt es zwei Möglichkeiten: entweder wir verstummen, weil uns das Unermessliche überwältigte, oder aber wir werden geschwätzig und beginnen, wie Pfingstler zu stammeln, indem wir das Unermessliche in die begrenzte Dimension der Worte zwängen wollen. Was dabei herauskommt, vermitteln uns die Religionen seit einer gefühlten Ewigkeit.

Kündete doch Johannes mit dem ersten Satz seines Evangeliums in gnostischer Manier von der Macht des Wortes: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“. Und er erzählt weiter, wie der Seelenfunkenfischer, der Archont Jesus Christus, auf die Erde niederkam, Weiterlesen

Angenommensein

Palmsonntag © Matthias Mala

Palmsonntag © Matthias Mala

Atheisten wissen, dass es keinen Gott gibt. Agnostiker nehmen es an, wissen aber, dass sie dazu nichts wissen können, also auch über das Dasein oder Nichtsein einer Transzendenz im Ungewissen bleiben werden. – Ein gottesfürchtiger Mystiker prägte dazu im späten Mittelalter den Begriff von der Wolke des Nichtwissens und konnte aus seinem Nichtwissen heraus dennoch ein Buch über das Nichtwissen schreiben. Nichtwissen kann demnach sehr beredt sein, wie ich es ja mit diesem Blog ebenso demonstriere.

Jedenfalls ist mir die agnostische Position lieber, denn sie ist mir nahe. Deshalb halte ich auch jede Spekulation über Gott für müßig. Folglich spreche ich nicht von ihm. Und doch, indem ich mit meiner Kontemplation über Meins ‑ womit ich mein Sein und Mitsein im Sein meine ‑ von etwas spreche, wovon man eigentlich nicht sprechen kann ‑ da jedes Reden darüber das wahrhaft Beschaute reduziert ‑, stifte ich eine Begrifflichkeit, die zwangsläufig zum Missverständnis einlädt. Denn wirklich verstanden werden kann ich nur dann, wenn der mich Verstehende, in gleicher Weise kontemplierte wie ich. Weiterlesen

Weihnachtsansprache

Art trouvé African von Ruth Mala © Matthias Mala

Art trouvé African von Ruth Mala © Matthias Mala

Weihnachtsansprache vom Bundesgaukler, Silvesteransprache von der Pfarrerstochter, Neujahrsansprache vom Oberpoppen … Niemand hört zu, niemand spricht darüber, nur mediale Oberfurzer kommentieren das Verblasene und Nichtgehörte.

Was bilden sich die Lackaffen denn nur ein, wie wichtig und bedeutend sie wären, auf dass ihre schmalen, von keinem Fettauge beschimmerten Gedanken … Gedanken? Das sind keine Gedanken, das sind Phrasen, Plattitüden, Gemeinplätze, verwortetes Styropor … Also, bilden die sich tatsächlich ein, wir haben ein Jahr lang unser Maul gehalten, um dann aus ihrem Mund noch einmal im Feiertagstempre zu hören, was man uns schon übers Jahr vorgekaut hatte? Weiterlesen

Auf ein Wort von Gott zu Gott

Von Gott zu Gott © Matthias Mala

Von Gott zu Gott © Matthias Mala

Er reiste durch Indien, um Erleuchtung, Erkenntnis oder wenigstens ein noch tieferes Wissen von Transzendenz zu gewinnen. Er fragte sich weder vorher noch nachher was Erleuchtung, Erkenntnis oder Transzendenz sein könnten, denn er wusste es zu jeder Zeit, schließlich war er auf dem Weg. Was er wirklich suchte, sich aber nicht selbst zugestand, war Bestätigung. Gleichwohl verstand er sich als ein durch und durch spiritueller Mensch; deshalb konnte man mit ihm auch reden über was man wollte, spätestens mit dem dritten Satz war er bei seinem Thema: das Höhere Selbst und die göttliche Liebe.

So innerlich gefestigt traf er auf verschiedene Gurus, um ihnen zuzuhören, sie zu befragen und nach ihrer Zustimmung zu heischen. Dabei traf er überwiegend auf seltsame Gestalten. Der eine zeigte billige Zaubertricks, die andere massierte vorwiegend das dritte Auge ihrer Besucher, der nächste bat um eine Million Euro, um die Welt zu retten, wieder ein anderer empfahl Haschisch zu rauchen, bis man sich übergeben musste und dergleichen Absurditäten mehr. Selbstverständlich durchschaute er all die Verdrehtheiten der Gurus, aber er erkannte bei jedem auch die Essenz seiner Botschaft und achtete sie darob; quasi nach dem Motto: Er ist zwar ein Lump, doch er besitzt ein großes, weises Herz. Weiterlesen

Liebe, das unbekannte siebte Element

Rangoli © Matthias Mala

Rangoli © Matthias Mala

Losung

Schweigen wir über die Liebe. Die Liebe ist die Kraft des sich selbst erkennenden Geistes. Sich in seinem Nächsten zu erkennen, ist der Keim der Liebe. Im anderen aufzugehen, ohne sich zu verleugnen, ist der praktizierte Zauber der Liebe.

Versenkung

Liebe ist jenseits aller Magie. Liebe ist jenseits der Welt. Liebe ist jenseits des Geistes. Liebe ist heiliger Duft. Liebe ist die Aufhebung allen Gegenübers. Liebe ist Einkehr. Liebe ist All-Einsein. Liebe ist die Gegenwart Gottes. Die Idee von der Liebe ist Abkehr von ihr. Ihr nachzustreben mag den Strebenden adeln, doch Adel erhebt und sinkt nicht ein. Liebe lässt sich nicht suchen. Wer sie sucht, flieht vor ihr. Wer flieht, verhärtet sich. Liebe ist Gnade. Gnade sucht den Begnadeten. Der Begnadete ist bereit. Bereitschaft ist kein Weg. Bereitschaft ist Da-Sein. Bin ich bereit, mag mich die Liebe streifen, mag mich ihr Duft umwehen. Will ich sie erhaschen, greife ich ins Leere. Bereit zu sein ist das einzige, was bleibt. Bin ich in Liebe, bin ich jenseits des Ursprungs, bin ich jenseits allem Bekannten, bin ich in absolutem Schweigen. Kein Wort wird dieses Schweigen je aufheben. Hier ist keine Magie mehr. Hier ist Liebe, nichts weiter, nichts mehr. Liebe ist der Ursprung des Ursprungs. Was ohne Liebe ist, ist leer. Also ist Magie ohne Liebe nichts.

Kann ich lieben, ohne das Geliebte besitzen zu wollen?

Stimmung

Der Wind spielt mit meinem Haar. Ich sitze unter Bäumen, und mein Kreis besteht aus abgefallenen Gedanken. Zwanglos fließt das eine und das andere von mir ab. Ich wähle nicht aus. Ich bin das Befreite. Das Bleibende ist das Geliebte. Ich bitte darum, ohne Ziel auf meinem Weg voranschreiten zu können.

Quelle: Lied 77 aus dem Stundenbuch der weißen Magie

Die Schamlosen

Altes Grauen © Matthias Mala

Altes Grauen © Matthias Mala

Dieser Tage sind Gutachten über die pädophilen Zusammenhänge beim Kinderschutzbund  und bei den Grünen in Berlin veröffentlicht worden. Beide Schriftstücke offenbaren einen Abgrund von Herzlosigkeit und Zynismus. Sie sind Belege institutioneller Schamlosigkeit und bei den Grünen eines geradezu kriminellen Gutmenschentums. Im Bestreben immer exotischere Außenseiter zu finden, die man unter seine Fittiche nehmen und deren Forderungen man auf sein Panier schreiben kann, um für sie zu streiten, haben sie die Sprachlosen, die Geschändeten nicht wahrgenommen. Sie haben nicht nur schlicht nicht hingesehen, nein, sie waren ihnen egal. Und das macht ihren Eifer so schäbig, wenn sie weiter für andere Minderheiten und Ausgestoßene streiten. Denn all ihr Bemühen, sich anscheinend für Minderheiten einzusetzen, ist im Grunde nur ein narzisstisches Spiel ihrer Scheinheiligkeit. Weiterlesen

Einsam sein

Einsam © Matthias Mala

Einsam © Matthias Mala

Sein Glauben war unerschütterlich. Er betete jeden Tag die Horen, und auch seine Arbeit verstand er als stete Zwiesprache mit Gott. Er war ein eifriger Mönch und seinen Ordensbrüdern ein Vorbild. Dennoch empfand er sich von Gott verlassen, denn sein Glaube schien ihm nur ein wie unerfülltes Sehnen. Es war ihm daher, als wäre sein Herz unheilbar verschattet. Also beschloss er eines Tages, seine Aszese zu verstärken und sich in eine Rekluse zu begeben.

Seine Ordensbrüder rieten ihm eindringlich davon ab, derlei selbstgewählte Isolation sei nicht mehr zeitgemäß, ja sie habe etwas unbarmherziges an sich. Womit sie zum Teil auch richtig lagen, denn sein Wunsch, sich in einer dämmrigen Zelle einmauern zu lassen, entsprang nur seinem düsteren Herzensgrund. Dennoch, er setzte seinen Willen durch, und wurde zur Weihnachtsnacht eingemauert. Nach einem Jahr wollte er, mit glühendem Herzen und dem in der Einsamkeit gefundenen Christus in sich, die dunkle Kammer wieder verlassen. Weiterlesen

Seinsam sein

Seinsam © Matthias Mala

Seinsam © Matthias Mala

Ein Samenkorn. Woher, wohin? Nein, jetzt!

Jetzt: Vogelfutter, Mäusefraß und Saat. Und doch eine Abermillionen Jahre alte genetische Entwicklung und eine ebenso lange Zukunft. Auch das nur jetzt, solange es keimt, wächst, blüht und welkt und Samen streut. ‑ Und wieder nur ein Samenkorn …

Welch Weite, welch Herrlichkeit, welche Begnadung, dies zu sehen, zu spüren, zu atmen, zu denken, zu ahnen, zu erleben. Kein Versuch, diese Wahrnehmung einzufangen, einzuengen, einzuworten. Nein, hinaus in diese Weite schreiten, in diese Unbegrenztheit wehen, sich von ihr tragen lassen; hineinfallen, ohne abzustürzen; hineinsterben, um lebendig zu bleiben; hineinlieben, um heil zu sein.

Wie banal dagegen Worte aus dem Jetzt, um das Jetzt, das Sein, das Hier und Nichtdort einzukreisen, einzufangen, einzuengen, um sich gleich einem Pfeil, vom sirrenden Bogen ins Zentrum der Scheibe zu jagen. Im Treffpunkt verharrend, verwurzelnd, als gäbe es keine Bewegung mehr davor und danach. Als gäbe es nur ewiges Jetzt auf die Attosekunde[1] genau, als wäre Jetzt etwas anderes als aller Anfang und Ende, als das Alpha und Omega, das zeitlose Sein, als das sich Christus verstand (Offb 22,13). Als wäre Jetzt nicht ein ganzes Leben, gleichermaßen für die Eintagsfliege wie für die Welt.

Wie eng das Denken, das den Denker aus sich denken möchte, das sich selbst als Schein gedenkt und dabei so hart, so schwer wie ein Gebirge scheint. Unbeweglich auf sich selbst gewichtet, gleich dem Pfeil die Scheibe den Gedanken trifft, ihn aushöhlt und vernagelt, und dabei nur sich selbst erstickt, sich den Atem nimmt, um in sich selbst zu schweigen und jedes Leben aus sich zu hauchen.

So sind wir nicht, so sind wir leer, so leer wie Nichts und somit in aller Fülle, und ohne Ich und dennoch selbst, um der Selbstlosigkeit willen. So heil wie eitel. Und dergleichen Blubber mehr. Ein Schaumbad aus Worthülsen. Sinnentleert, doch schillernd wie Seifenblasen unterm Regenbogen. Schon im Denken platzend, Letztes sprühend, dann nur noch Luft. Luft ‑ kein Raum; eine Atmosphäre Druck auf Weggedachtes. Befreit, erwacht, erleuchtet. Ein Witz, ein Irrwitz ‑ nein kein Witz, nur tiefe Traurigkeit.

Da welkt nichts mehr, da keimt nichts mehr, da liegt ein Stein. Wind und Wetter zehren von seiner Unbeweglichkeit. Und erst, wenn das letzte Staubkorn von der Stelle wehte, kehrt sie ein, die Seinsamkeit …


[1] Attosekunde = eine trillionstel Sekunde

Lallen und Zungenreden

Zungenreden © Matthias Mala

Zungenreden © Matthias Mala

 

Endlich begann das Wasser zu sinken. Die jährliche Überflutung war diesmal stärker und länger als sonst. Für die Menschen am Fluss war die Flut ein fester Bestandteil der Jahreszeiten und keine Katastrophe. Seit Menschengedenken lebte man mit den jedes Frühjahr wiederkehrenden Wassermassen.

Er stand an den Stufen zu seinem Garten. Große Lachen dunkelsandigen Wassers bedeckten noch Teile der Beete. Es war fruchtbare Erde, die sich da ablagerte. Sobald der Boden fester geworden war, würde er mit dem Anpflanzen beginnen. Die Sonne lugte zwischen zwei Wolken hervor und die Pfützen im Garten glänzten wie schwarze Spiegel, die für den Kundigen das Wissen um die Zukunft in sich bargen. Weiterlesen

Gradus Mystica

Weihnachten © Matthias Mala

Weihnachten © Matthias Mala

Magie ist das Klingeln,
um Gott ins Gespräch zu zwingen.

Theurgie ist,
das Gespräch zu führen.

Weisheit ist,
zu Schweigen
und das Gespräch zu sein.