Umarmen, ja, aber nur herzlich

Umarmung © Matthias Mala

Jüngst dachte ich über Umarmungen nach, weil ich einen Menschen umarmen wollte, es aber dann doch unterließ und wenig später einen anderen herzlich umarmte. Was zeigt, aufeinander zuzugehen und sich zu umarmen, ist oft ebenso überlegt wie spontan – also menschlich.

Manch einer meint, Händeschütteln sei eine Kulturleistung, die die Welt friedlicher gemacht habe, da man aufeinander zuginge, einander Verbundenheit und Eintracht bezeuge. Allerdings handelt es sich dabei um eine relativ junge Kulturleistung. Sie soll in Zeiten der Gnosis, also um die Zeitenwende, als Erkennungszeichen der Gnostiker untereinander entstanden sein; so wie Banden überall auf der Welt und durch alle Zeiten hindurch ihre eigenen Begrüßungsrituale pflegten und pflegen. Durch das Christentum, einer ursprünglich gnostischen Sekte, soll das Händeschütteln im westlichen Kulturkreis überdauert haben. Sei’s wie’s sei, jedenfalls wurde die Welt dadurch nicht friedlicher, selbst unter Christen nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass man sich durchs Händeschütteln einen Mitmenschen auch auf Distanz hält. Weiterlesen

Der Froschkönig, ein feministisches Märchen

Froschkönig © Matthias Mala

Kein Kuss verzauberte den Frosch in einen Prinzen. Nein, die Prinzessin schmetterte den Broz gegen die Wand, und aus dem blutigen Batz, der herabschmierte, formte sich der Prinz. – Nicht umsonst steht ein Broz, eine Kröte, für die Gebärmutter und damit auch für die Hysterie, die dem Weib solch ein Verhalten erlaubt.

Das ist die Geschichte, die das Leben auch heute schreibt. Männerklopfen allüberall: Männer sind verantwortlich für die Klimakatastrophe und für die niedrige Geburtenrate und dafür, dass Frauen, wenn sie weniger arbeiten, weniger verdienen. Männer werden gegen die Wand gedrückt. Frauen befreien die Welt!

Das fiel mir ein, als ich das Jahresbild für 2019 zeichnete. Dabei wollte ich eigentlich im vagen bleiben. Nur die Ziffern der Jahreszahl miteinander so arrangieren, so dass daraus ein Muster entstünde, das genügend für ein Bild hergibt. So wie ich es seit 2002 pflegte. Und diesmal war‘s ein Quakmaul, ein Frosch, was ich in der Skizze entdeckte. Weiterlesen

Selbstbesonnen ist der Weg

Ein Geschenkbuch für alle, die die mystisch, spirituelle Versenkung schätzen.

Lied 148 Stundenbuch der weißen Magie

Losung

Mein erster Freund bin ich selbst. Versage ich mir meine Freundschaft, versage ich mir meine Freunde. Nicht von anderen geliebt zu sein, sondern mich selbst zu lieben, ist Voraussetzung, um liebenswert zu sein.

Versenkung

Die Einheit von Seele, Geist und Psyche mit seiner Welt zu leben ist höchste Glückseligkeit und wahre praktizierte Magie. Sich dieser Forderung immer wieder zu erinnern, ist der magische Weg. Obgleich unsere Seele in der Halle des magischen Raumes weilt, bleiben wir den Einflüssen unserer Welt ausgesetzt. Unsere Psyche erzittert unter dem Anprall dumpfer Schwingungen, die böse Menschen aussenden. Wir empfinden uns in solchen Augenblicken gespalten, als aus dem Himmel Gestürzte. Die Kommunikation zwischen Seele und Psyche ist gestört, weil der Geist durch die psychische Gewalt, der wir ausgesetzt sind, verstört ist. Erinnern wir uns jedoch der ursprünglichen Einheit, finden wir die Kraft, uns zu versiegeln und den Kreis zu schließen. Denn zur Einheit gelangen wir nicht, indem wir das Böse bezwingen. Einheit entsteht niemals im Gegensatz zu einer anderen Kraft, sondern stets nur durch die Sammlung der eigenen inneren Kräfte. Der Gegner ist nicht der böse Feind, sondern wir selbst, sobald wir unsere Integrität aufgeben. Bleiben wir in uns, bleiben wir letztlich unerschütterlich.

Lasse ich mich durch äußere Widrigkeiten soweit erschüttern, dass ich auch innerlich zerrüttet bin?

Stimmung

Mein Haupt ist bedeckt und mein Gürtel eng geschnürt, ich schließe mich in meinen Mantel. Mein Blick rundet den Kreis und seine Kraft wird mir zum Dom. Nun umkränzen Blüten mein Haupt und mein Mantel schwingt weit. Ich bitte darum, dass ich mir diese Offenheit nicht nehmen lasse.

Spukgeschichten

Seelenschwatz © Matthias Mala

Alle Jahre wieder ersteht im Frühjahr der Heiland von den Toten, und alle Jahre wieder ziehen wir im Herbst auf die Gottesacker, um unsere Toten an ihrer Wiederkehr zu hindern. Denn diese Wiedergänger schrecken uns, anders als die Lieblichkeit des Heilandes.

Rituale sind, solange man sie von außen betrachtet, immer merkwürdig; doch sobald sie aus einer Binnensicht gesehen werden, scheinen sie überzeugend. So sind Osterfeierlichkeiten bis Christi Himmelfahrt schließlich ein Versprechen auf den St. Nimmerleinstag, das uns dann alle gleichzeitig ereilt und weswegen dann auch niemand vor der Spukgestalt des anderen erschrickt. Da wedeln unsere Seelen den Staub davon, den ihre einstige Verkörperung hinterließ, und gehen gar leiblich ein ins Paradies.

Dort gibt es weder lästige Gespenster noch boshafte Wiedergänger, die in der Zwischenzeit allemal auftauchen und die manche Zeitgenossen dann sichten. Ich zähle mich selbst zu jenen, die meinen, Geister zu sehen. Ob ich tatsächlich welche sehe, bleibt letztlich ungewiss, es kann auch eine Dysfunktion  der Elektrik in meinem Oberstübchen sein; womöglich artet dort  mancher Funkenüberschlag zu einer geistreichen Vision aus. Wegen derlei Visionen sucht man jedoch keinen Arzt auf, sondern begibt sich, weil es Brauch ist, Anfang November auf die Friedhöfe, um Kränze und Blumen auf Gräbern abzulegen und ein Seelenlicht anzustecken. Hierdurch sollen die Toten dort bleiben, wo sie sind, hinter Friedhofmauern. – Ich werde die Tage dieses Ritual wieder begehen. Weiterlesen

Neujahrsgruß

Viola alba © Matthias Mala

Viola alba © Matthias Mala

Manche Dinge kreieren sich vermutlich selbst. Sie gebären sich aus einem Nukleus unverbrauchtem Etwas. Einem Irgendetwas, das nicht gelebt, das übersehen, das nicht gesagt wurde oder keinen Ausdruck fand. Es ist dann nur noch eine kleine Bewegung, auf dass das die ungedachte Kreatur Form annimmt.

Einmal entdeckte ich während eines österlichen Schneeschauers weiß blühende Veilchen neben klassisch violetten am Straßengraben. Sie fielen mir ins Auge und in die Seele. Seitdem blühen sie in ihr fort, im Graupelbett, das hell wie Hagelzucker ihr zartes Cremeweiß unterstrich. Fortan wirkt ihr Bild in mir als ein sich beständig erneuernder und wandelnder assoziativer Impuls gleich einer mystischen Kreation, die nur für sich oszillierend gleichwohl in mir einen Reigen wundersamer Zeichen begleitet.

Freilich waren es weder die Veilchen noch ich selbst, die diese Wirklichkeit stifteten, sondern es war ein schöpferischer Moment, der hinfort für sich selbst neben mir, mit mir, bei mir und für Meins schwingt, egal ob ich darauf blicke oder nicht. Dieser Augenblick ist zu einer Melodie geworden, die mich wiegt. Es ist der Kammerton, der mein konzertantes Sein trägt.

Was soll dagegen anklingen? Nichts! – Nur was selbst rein aus sich schöpft und dennoch mitschwingt, mag mit dieser mich tragenden Weise schwingen.
Letztlich bleibt darum so vieles unerhört und unbeachtet, weil es der Leichtigkeit entbehrt, die meine Seele wiegt.

Ein gesegnetes neues Jahr, himmlische Fügung und Glück, Gesundheit und Harmonie wünsche ich all meinen Lesern und Begleitern.

Vergebliche Vergebung

Vergebung © Matthias Mala

Vergebung © Matthias Mala

Vergib jenen, die dir arges angetan haben, damit auch Gott dir vergeben kann. So die Botschaft des Neuen Testamentes (Mt 18,21-35). So auch die Botschaft aus der alternativ esoterischen Psychoszene. Wer nicht vergeben will, wird dort zum Täter wider den Täter. Er belastet sein Karma und schädigt mit seiner Unversöhnlichkeit die eigene Seele. Tausend Wiedergeburten als Fruchtfliege oder schlimmer noch als Peitschenwurm in einem lichtlosen Gedärm stehen ihm bevor, ehe er als gewöhnlicher Sünder wieder reinkarnieren kann. – Sie sehen schon, ich halte es nicht mit den Säuslern, die mit Kreidestimme den Opfern von Gewalttaten empfehlen, ihren Peinigern zu vergeben, um ihren Seelenfrieden wiederzufinden. Als besonders übergriffig empfinde ich es, wenn sich dieserart Vergebungsnötigung im Rahmen einer öffentlichen Familienaufstellung vollzieht. Ist eine Familienaufstellung gemeinhin schon unstrukturierter und in ihrer Aussage noch beliebiger als eine Kaffeesatzleserei, so ist ihre öffentliche Darbietung schlichte Missachtung der Intimsphäre aller Betroffenen.

Ja, ich halte die Aufforderung an ein Opfer, seinem Täter zu vergeben, für unanständig. Ebenso halte ich die Vergebungsrethorik des Christentums für scheinheilig und täterorientiert. Weiterlesen

Kainsmal

Kainsmal © Matthias Mala

Kainsmal © Matthias Mala

Ein Schandmal für eine schändliche Tat. Ein Kainsmal. Es bedeutet, meide diesen Schuft, geh ihm aus dem Weg, lass dich nicht mit ihm ein. Der biblische Gott markierte so Kain, damit ihn niemand etwas anhaben sollte; denn die Strafe, mit seiner Schmach zu leben, sollte Kain lange erhalten bleiben. Ja, sein Gott wünschte ihm ein langes Leben, um seinen Brudermord ausreichend zu sühnen. Ja, mehr noch, Er verstieß ihn in das Land der Wiedergänger, in das Land Nod, was wörtlich bedeutet „ruhelos umherwandern“. Somit sühnte Kain als Untoter über seinen Tod hinaus.

Das moderne Kainsmal ist das Führungszeugnis. Es listet erfolgte Verurteilungen auf. Doch es kennt auch – anders als Gott – Gnade und Vergessen. Nach einer gewissen Zeit werden die Schandtaten im Register gelöscht. Das Kerbholz ist wieder geglättet.

Doch das Kainsmal findet sich auch in anderer Weise, nämlich als ein Zeichen unverschuldeter Schande. Der Markierte wird zum Gegenstand moralischer Empörung, denn er weist durch sein Dasein in beschämender Weise auf die Schuld seiner Mitwelt und das Unrecht, das ihm durch sie angetan wurde. Der Markierte wird so zum Mal ihrer Schändlichkeit. Allein durch seine Sichtbarkeit weist er auf die Täter und ihre scheinbar unbescholtenen Kumpanen. So empfanden nach dem Zweiten Weltkrieg viele Deutsche die „Displaced People“ (DP) ‑ das waren durch Krieg, Verfolgung und Internierung heimatlos gewordene Menschen ‑ als ein Zeichen ihrer Schande, da sie durch sie an ihr eigenes schuldhaftes Handeln und Mitläufertum erinnert wurden. Die Anwesenheit des Verfolgten in ihrer Nähe, war ihnen darum ein Greuel. Weiterlesen

Totengedenken

Ahnenwehen © Matthias Mala

Ahnenwehen © Matthias Mala

Kein Novembergrau verschleiert diesen Totengedenktag, lässt ihn nicht ins Diffuse gleiten, in das keltische Seelenwehen, das mit Gänsebraten gefeiert, die Ahnen an den Tisch bittet. Nur ein kurzes Verweilen, um einander zu versöhnen, ehe man sich scheidet und ein jeder in seiner Anderwelt fortlebt. So bleibt man den Toten nah und fern; bleibt von ihnen verschont und mag sein Leben leben, wie es das Dasein und nicht das Jenseits fordert.

Ein schönes Nebeneinander, das sich in dieser Nichtzeit, der Novemberei, verwischt. Dann tauchen die Seelennebel vom Himmel herab und aus der Erde hinauf und verhauchen und verlangsamen alle Wirklichkeit. Selbst die Raser auf den Autobahnen drosseln Nebelschwaden, und wer das nicht wahrhaben möchte, der wird geschrottet oder gar weggesenst. Weiterlesen

Vampirismus

Vampir © Matthias Mala

Vampir © Matthias Mala

Vampire waren in den Mythen zu allen Zeiten gegenwärtig; schließlich geschahen zu jeder Zeit blutige Grausamkeiten, hinter denen die Menschen einen blutrünstigen Geist vermuteten, der zwanghaft umging: der Untote, der Wiedergänger, der Vampir. Heutzutage erschaffen wir uns einen neuen Vampirmythos, nämlich den des smarten Vampirs, des verzweifelten Schönlings, der daran leidet, dass er seiner Natur nicht entfliehen kann. Vampirromane dieses Typs verkaufen sich mehr als gut. Mittlerweile avancieren auch bissige Frauen zu Protagonisten. Für Kinder gibt es ja schon seit gut drei Jahrzehnten die Mär vom kleinen vegetarischen Vampir als Gutenachtgeschichte. Somit haben warmduschende Vampire einer Generation das Gruseln gelernt und einen Mythos vergegenwärtigt, der sich von der Anbindung an Bluttaten vergangener Epochen scheinbar abgelöst hat. Das heutige millionenfache Morden rund um den Globus hat aus unserer aufgeklärten Sicht demnach nichts mehr mit den Wiedergängern von einst gemein; es mutet uns vielmehr wie ein Stück Wirklichkeit an, das in keiner Anderswelt verankert ist. ‑ Meint man! Weiterlesen

Auferstehen

Lichtspiel © Helene Seidl

Lichtspiel © Helene Seidl


Sich selbst verwechseln
Im glitzernden Lebenslicht
Frisch wie Morgentau.

Ich wünsche meinen Lesern frohe Ostern.

 

Alles dir gilt mir

liebevolle Vernachlässigung © Matthias Mala

liebevolle Vernachlässigung © Matthias Mala

 Ihr Kind sollte es einmal besser haben als sie. Sie war im Waisenhaus aufgewachsen, kam dann zu Verwandten, die sie nicht mochten, aber aufnahmen, weil sie Geld für die Pflege bekamen. Entsprechend trost- und lieblos war ihre Kindheit und Jugend. Bald nach der Geburt ihres Kindes trennte sie sich von seinem Vater und entzog ihm das Kind, denn sie wollte es ganz für sich alleine. Es war ihr Schmuckstück, das sie behütete und an dem sie sich immer wieder erneut ergötzte. Da konnte sie keinen Vater gebrauchen, der das Kind von ihr ablenkte und zur Eigenständigkeit anhielt. Nein, sie wusste stets, was das beste für ihr Kind war, und das war vor allem, seinen Launen zu entsprechen.

So wuchs ihr Kind ohne Einschränkungen auf, jede Schwierigkeit wurde ihm aus dem Weg geräumt und jeder Wunsch wurde ihm von den Augen abgelesen. Als es in der Schule zu sehr gefordert wurde, weil es immer unausgeschlafen zum Unterricht kam, nahm sie es lieber von der Schule, anstatt feste Schlafzeiten einzurichten. Als es in der Ausbildung versagte, nahm sie das Kind ganz nach Hause, damit ihr die Welt nicht weiter übles antun konnte. So lebte das Kind scheinbar seine Freiheit, doch in Wirklichkeit verwirklichte es nur die Vorstellung seiner Mutter von einer unbeschwerten Jugend – es wurde zu deren fleischgewordenem Traum. Entsprechend eigenartig und launisch verhielt es sich auch zu seiner Mitwelt. In der Folge wurde das mittlerweile erwachsen gewordene Kind immer einsamer und neigte zunehmend der Mutter zu, und diese ließ es nicht los. Weiterlesen

Schmerz und Angst

Schatten des Schmerzes © Matthias Mala

Schatten des Schmerzes © Matthias Mala

Das Viertel, in dem ich wohne, kenne ich seit gut 50 Jahren. Ich erkundete es erstmals als Lehrling bei einem Hotelausstatter, und manche meiner Botengänge führten hier in die Hinterhöfe der Handwerker, manchmal auch in ein Bordell oder eine Spelunke, wohin ich Stapel Kartons mit Sektgläsern tragen musste. Damals war das Viertel noch ein Arbeiterviertel, in dem mehrere Fabriken standen. Es gab auch einige Flüsterkneipen, in die sich kaum einer der vielen Fremden gewagt hätte, die heute hier durch die Straßen ziehen.

Seit etwa dreißig Jahren wohne ich hier. Damals, als ich hierherzog, war es immer noch ein Arbeiterviertel. Jeden Morgen und jeden Abend hörte ich das Stakkato der Schritte der Arbeiter und Angestellten, die in einem langen Zug unter meinem Fenster zu den Fabriken oder nach Hause gingen. Irgendwann wurden die Schritte spärlicher, die Fabriken zogen vor die Stadt. Dafür kauften sich gutverdienende Leute in neue Wohnungen ein, die auf Bombenbrachen und geräumten Fabrikgeländen entstanden. Mit ihnen wurden allmählich auch die Schritte vor meinem Fenster wieder mehr. Ich höre sie jetzt spät abends bis tief in die Nacht. Es sind die Schritte der Nachtschwärmer, denn das Viertel ist jetzt ein Ausgehviertel und eine angesagte Wohnlage in der Stadt geworden. Die alten Bewohner sterben indessen langsam weg, ziehen ob der steigenden Mieten fort oder wechseln in Altenheime oder folgen ihren Kindern weit vor die Stadt. Weiterlesen