Vor gut zwei Jahren kontemplierte ich hier bereits, über den Sinn der Sinnlosigkeit, allerdings kam ich damals zu einem anderen Schluss.
In einigen ebenso stillen wie hellen Momenten erkenne ich: Alles ist sinnlos. Die Welt ist sinnlos, und ihr Schöpfer sinnbefreit. Nichts macht Sinn!
Doch Stopp! Nichts macht Sinn, macht Sinn. Damit meine ich, insoweit alles sinnlos ist, ist allein die Sinnlosigkeit sinnig. Freilich hilft diese Einsicht nicht weiter, sondern verstärkt nur den Eindruck einer das gesamte Universum durchdringenden Sinnlosigkeit. Manch einer mag in den sinnig erscheinenden Zusammenhängen, die das Universum erhalten und beleben, einen Sinn erkennen, doch sinnig ist das nicht. Schließlich muss jedes Universum strukturiert sein, andernfalls würde es mit seiner Schöpfung zerfallen.
Mag sein, das so etwas permanent geschieht, weil der liebe Gott doch würfelt; zumindest würde diese Annahme die Sinnlosigkeit von allem aus einer anderen Sicht erklären. Die Struktur des Universums bleibt gleichwohl unsinnig, weil sie zwecklos ist und somit zu keinem Endzweck führt. Die Welt entstand oder wurde geschöpft, um letztlich zu verfallen und zu verwehen. Wenn Sie so wollen, sind wir nur ein Hauch, ausgehaucht, kurzweilig konkret und schließlich spurlos vergangen. Dies mag manchem in seiner Sinnlosigkeit grausam erscheinen, trägt jedoch in sich einen bezaubernden Zug, der gar von besonderer Schönheit ist; denn es verrät, dass Sein unabhängig von jeglicher Stofflichkeit ist, die es durchwirkt oder ihm Gefäß wird. Egal, wie und was, Sein ist eine ewige Dimension, die selbst in absoluter Nichtigkeit noch seiend ist; zumindest von kühler Logik her, weil absolutes Nichts in sich zwar ein dauerhafter, wenn auch zeitloser Zustand wäre.
Wobei ich anmerken möchte, dass ein Nichts der formalen Logik entsprechend im wesentlichen ein Akt der Erkenntnis ist und somit ohne Erkennenden inexistent wäre. Gleichwohl vermag Nichts mit jedem Erkennenden jederzeit aufzuscheinen, sobald dieser über es nachdenkt, wodurch es zumindest eine intermittierende Erscheinung bleibt. Somit korrigiere ich: das oder ein Nichts ist keineswegs dauerhaft geschweige denn ewig, sondern scheint nur auf, sobald es bedacht wird; andernfalls ist es nicht mal Nichts. Jedenfalls bietet es so dem Nachdenklichen Gelegenheit, für eine Millisekunde Zeitlosigkeit zu verstehen, ehe sein Verstand einsetzt und er die erlittene Erkenntnis vergeblich bedenkt.
Doch Schluss mit dem Geplänkel, das für mich nur diese Weile Sinn machte und mir nun bereits sinnlos erscheint; obzwar ich damit meine Rede über die Sinnlosigkeit unterbrach und ihr somit Sinn verlieh. Denn das ist das tröstliche an einer sinnlosen Existenz, wie wir sie universal führen, wir können selbst im Sinnlosen noch Sinn stiften. So habe ich beispielsweise rund hundert Bücher geschrieben und mehr als tausend Bilder gemalt, wohl wissend, dass es an sich sinnlos war, weil Bücher wie Bilder vergehen werden. In 100.000 Jahren wird es wohl keinen Menschen geben, der sie betrachten wird. Es werden dann Bilder, Bücher und Menschen verschwunden sein. Selbst wenn ich mein Werk in einem Tresor für die Ewigkeit verschließen könnte, würde spätestens in fünf Milliarden Jahren die Erde in der Sonne verglühen und mit ihr all unsere Dummheit und Wissen spurlos verschwunden sein. Auch das ist für sich sinnstiftend, weil tröstlich; denn es wird niemanden geben, der unser sinnloses Sein nachträglich noch deuten und bewerten wird.
Somit verbleibt es an uns, Sinn zu stiften und partiell Sinnvolles zu schaffen. Hierdurch setzen wir Schönheit in die Welt. Was für sich ebenso sinnig wie sinnlos ist. Genauso können wir Sinnloses kreieren, indem wir zerstören, missachten, degenerieren und hierdurch der Abscheulichkeit huldigen. Auch diese Form der Destruktion mag für den Zerstörer sinnvoll sein. Wir erinnern uns heute noch an den Brand des Tempels von Ephesos, durch den der Brandstifter Herostratos bis in unsere Tage Weltruhm erlangte. Womit er gleichfalls ein Beispiel für sinnlose Sinnstiftung gab. Es mag grausam klingen, aber unsere Geschichte ist voll herostratischer Taten, und wir erinnern sie oft leichter als die guten. Wer zum Beispiel kennt heute noch Albert Schweitzer, der für seine guten Taten in Lambaréné 1952 den Friedensnobelpreis erhielt. Seine Arbeit machte nicht nur für ihn, sondern für viele Menschen, denen er das Leben rettete, unmittelbaren Sinn.
Somit komme ich zum Schluss. Sinn macht einzig die individuelle Sinnstiftung, die man in seinem Leben findet und umsetzt. Sie ist zugleich unser Lebenssinn. Menschen, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben finden, sterben, wenn nicht körperlich so zumindest seelisch. Für viele mag darob einzig die allmähliche Selbstzerstörung durch Laster und Drogen noch einen gewissen Sinn machen, wenn auch nur einen abgeleiteten, um der Sinnlosigkeit willen. Überdies leiten viele für sich Lebenssinn aus dem Transzendenten ab, indem sie eine Gottheit imaginieren. Es sind jene, die mit der Schlichtheit der Sinnlosigkeit nicht klarkommen wollen. Es sind Personen, die sich einen gewissen infantilen Narzissmus erhalten haben und ohne diese kleine Krücke nicht zur eigenen Sinngebung im Leben finden. Sei‘s drum, das eine wird wie das andere verwehen. Machen wir bis dahin das beste daraus.
Können wir es, kreieren wir gar einen Sinn fürs Glück – ich meine einen seelischen Sinn – und werden hierdurch zum Schöpfer unseres Paradieses. Denn gute und wahre Sinnstiftung kann zum Glücksborn für ein ganzes Leben werden; und das ist eine wahrhaft göttliche Gabe. Wem das gelingt, der lebt die Schönheit eines sinnlosen Daseins und scheint von Liebe berührt.