Predigten haben etwas einlullendes; sie kreisen meist monothematisch um einen Punkt, und ihr Kreisen wird zum Kreißen, und am Ende gebären sie eine Seifenblase an Erkenntnis, die kurz darauf platzt, sprich die Quintessenz, das heißt der fünfte Aufguss mystischer Verzückung, verpufft lautlos als feuchtes Lüftchen. Zurück bleibt nichts, außer allenfalls der Durst nach erneuter spiritueller Anmutung und belangloser Verzauberung; weswegen man sich am nächsten Sonntag wieder zur Kirche begibt, um demselben Prediger zu lauschen.
In meinem Sprengel predigt ein narzisstischer Priester, der sich mit jeder Predigt so schamlos in Selbstverzückung ergeht, dass man meint, ob dieser Leidenschaft müsse er, wenn nicht ausschließlich von sich doch auch vom Heiligen Geist beseelt sein. Also reisen Gläubige von weither, um ihn zu erleben und ihm zu lauschen. Seine Kirche ist auch stets gut gefüllt. Sie ist wie anderswo eine In-Kneipe eine In-Kirche. Man kommt und findet es doll, dabei gewesen zu sein, einen Priester beinahe beim evangelikalen Zungenreden erlebt zu haben.
Diesmal ging es um Trost, nicht in dieser Pfarre, sondern bei der Predigt zum 3. Advent in der Gethsemane-Kirche, die im DLF übertragen wurde. Also eine Predigt, bei der sich der Probst ob des deutschlandweiten Publikums wohl redlich Mühe gegeben haben musste. Nur was ich hörte, war nicht der Mühe wert, sich nicht einlullen zu lassen. Es war die übliche selbstbezügliche Schleife, die sich um das Stichwort rankte und göttlichen Trost als göttliche Gnade seiner alle Menschen einschließenden Liebe umschrieb. Doch was Trost konkret bedeuten könnte, was Voraussetzung für die Praxis bei Tröstendem und Getrösteten sei, was Trost bewirken könnte und sollte, darüber wurde nichts gesagt. Trost war die mystische Silbe, die ihre Eigenschaft wohl in mantrahafter Wiederholung entfalten würde gleich dem heiligen Om. Allerdings eins irritierte mich, der liebende Gott tröstet nach Ansicht des Probstes alle Menschen, so wie er alle liebt.
Tja, und da sind wir wieder bei der alten Weisheit jedes Suchenden: Alles ist nichts! Alles ist so viel, so umfassend, dass darin kein Einzelnes mehr aufscheint. Alles ist ein schwarzes Loch, so dicht gepackt, dass ihm kein Lichtstrahl mehr entkommt, die Zeit stehen bleibt und somit in ihm zwar Alles aber zugleich auch nichts mehr ist. Im schwarzen Loch gibt es mangels Zeit kein Dasein mehr. Was letztlich auch dem lieben Gott zum Verhängnis wird, denn wer von Ewigkeit zu Ewigkeit waltet, ist überall und nirgendwo, denn auch er fällt aus der Zeit und damit aus dem Dasein, er hat weder Präsenz noch Vergangenheit und Zukunft, denn all das sind keine ewigen Eigenschaften.
Doch ich weiche ab, mir geht es um die behauptete allumfassende Liebe des tröstenden Gottes. Das würde heißen, der liebe Gott liebt in Ewigkeit Hitler, Mao Tse Tung und Stalin, die drei größten Massenmörder des vergangenen Jahrtausends, ebenso wie Sie und mich? Nun, da sage ich, auf diese monströse allumfassende Liebe kann ich verzichten. Ein Gott, der so bedingungslos liebt, kann nicht bei Trost sein und von daher auch nicht trösten. Offensichtlich tröstete er aber die Massenmörder, denn zwei davon starben friedlich im Bett und einer durch eigene Hand in seinem Bunker. Wer so liebt, ist gewissenlos; was zugleich eine Eigenschaft eines zeitlosen Gottes ist, schließlich hat er alle und somit keine Eigenschaften. Er ist in sich selbst so paradox, dass er sich wie Materie und Antimaterie in sich selbst auflöst. Wahrscheinlich ist dies auch längst so geschehen, und der Rest seiner Implosion war der Urknall, ein göttlicher Furz, in dessen üblem Wind wir in einer gottlosen Welt über Gott und die Welt nachdenken.
So also werden wir die Weihnacht 2018 begehen. Ihre Quersumme ist 11. Eine Narrenzahl … Folglich legen wir Narren das Christkind in die Krippe, feiern Party oder besinnlich, und haben keine Ahnung warum wir es tun. Ich backe Lebkuchen und Stollen, beize einen Lachs und brate einen politisch unkorrekten Kapaun. Je nach Geschmack lauter feine oder fürchterliche Sachen. Ja, ich höre mir dazu noch die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma, dem rechtskonservativen Stinkstiefel vom Tegernsee an, und habe meine Verwandtschaft ausgeladen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besinnliche Weihnacht und etwas weniger Nichts, so dass Ihnen noch viel Freude am Leben bleibt, solange Sie in einer Umgebung leben, die diese Möglichkeit noch zulässt. Denn vielen Menschen fehlt der Trost, der sie in tiefster Dunkelheit – das ist der Heilige Abend – noch ein Licht schauen lässt. Ich meine damit nicht die Hure Hoffnung, sondern die Chance zur Resilienz und die Kraft, die Umstände so zu verändern, dass sie selbst eine gottlose Welt noch heiligen.