Es war ein heißer Tag, draußen brütete die Sonne. Die Stadt glühte förmlich, es war staubig und die Menschen schwitzten, rochen und waren grantig. Nur dort, wo es Kühlung gab, an den Brunnen, in den Freibädern oder in klimatisierten Kinos und Museen, wandelten sich die Menschen wieder, wurden freundlich und waren einander zugewandt.
In der Wohnung war es angenehm lau. Die Fensterläden waren geschlossen, die Fenster dahinter geöffnet. Das Licht war gedämpft, und es wehte eine kühlende Brise durch die Räume; denn die Türen standen offen und so konnte sich die Luft von der Schattenseite des Hauses zu seiner Sonnenseite austauschen. Die Gardinen blähten sich ab und an. Es tat gut, hier zu sitzen und eine kühle Limonade von frisch gepressten Limonen zu trinken. Man träumte, lauschte leiser Musik und plauderte.
Am Abend zog ein Gewitter auf. Während draußen die Temperaturen durch den Platzregen sanken, staute sich die verbliebene Wärme in der Wohnung. Nun war es in den Räumen stickig. Man ging hinaus auf die Terrasse und beobachtete das Unwetter. Als es abgezogen war, war es sehr still. Der Regen tropfte von den Blättern und die reglosen Bäume entfalteten nach der Erfrischung ihre Aura weit in die Dunkelheit hinein.
Auch wenn viele Menschen, vor allem die in den Städten, der Natur entfremdet sind, bleiben wir mit unserer Umwelt verbunden. Wir sind in sie eingebettet und reagieren auf jede Veränderung. Es ist wie bei einem Fisch im Wasser. Er fühlt sich wohl, solange seine Umgebung stimmt. Wird das Wasser zu warm oder zu schmutzig, wird er krank und verendet schließlich. Mit uns Menschen ist es nicht anders. Wir reagieren auf unsere Umwelt ebenso. Darum zieht es auch an den Wochenenden so viele Menschen aus der Stadt in die Natur. Doch die wenigsten können sie wirklich genießen. Die meisten konsumieren oder benützen sie. Sie öffnen sich nicht für die Fauna und Flora, sie können keine natürliche Beziehung zu ihr empfinden und somit auch nicht erleben. Sie wissen gar nicht, was damit gemeint sein könnte und vermögen es sich auch nicht wirklich vorzustellen. Viel wirklicher erscheint ihnen hingegen ein Foto der Natur auf ihrem Smartphone oder als Wallpaper auf ihrem PC-Bildschirm. So bleiben sie verschlossen und weiterhin latent disstresst.
Doch als soziale Wesen, sind wir ebenso von unserer Mitwelt abhängig. Wir sind in Familien, Gruppen und Gemeinschaften eingebunden und kommunizieren mit ihnen. Verlieren wir den Kontakt mit unserer Mitwelt oder wird unser Verhältnis zu ihr durch Missgunst, Nachstellung oder Misstrauen vergällt, erkrankt unsere Seele und wir verkümmern auf Dauer. Also suchen wir auch hier nach Abwechslung und Erholung. Buchen womöglich einen Wellnessurlaub oder besuchen Seminare, auf denen wir als Feedback unsere beglückende Einzigartigkeit bestätigt erhalten. Oder wir bewegen uns im Internet in sozialen Netzwerken, in denen wir uns eine oder mehrere virtuelle Persönlichkeiten angeeignet haben, die unserem Wunschselbst mal so und mal so entsprechen. Diese Angebote verleiten wiederum viele Menschen dazu, ihre Mitwelt nach ihrem Gusto zu konsumieren und zu benützen. Doch sie bleiben sowohl für sich als auch in ihrer Seele allein, ungeliebt und selbst lieblos.
Doch der Mensch ist noch mehr, er lebt nicht nur in und mit seiner Um- und Mitwelt, sondern er ahnt auch das Transzendente und sucht die Verbindung zu ihm, um geistliche Erfüllung zu finden. Erst durch sie wird er zum ganzen Menschen. Wobei diese Transzendenz ihn auch dann erfüllt, wenn er sie in agnostischer und atheistischer Manier verneint. Denn in diesem Stand ist er sich selbst Transzendendum, das seine geistliche Erfüllung in sich selbst und dem gottlosen Kristall der wahren Vernunft findet.
Allerdings fühlen sich die wenigsten Menschen, in einer solch entgeistlichten Welt wohl. Sie wünschen sich die erlebbare und geordnete Gemeinschaft mit dem Himmel und seinen Göttern. Also wenden sie sich den Religionen zu und folgen ihren Geboten mehr oder minder von der Wiege bis zum Grab. Jedoch auch hier ist es so, dass sich die wenigsten Menschen wirklich mit der Transzendenz auseinandersetzen und ein spirituelles Leben führen. Die meisten lassen sich einlullen, folgen den Priestern und der Gemeinde und erwarten die entsprechenden Dienstleistungen zu den hohen Feiertagen und herausragenden Feierlichkeiten wie Taufe, Hochzeit und Beerdigung. So bleiben sie auch hier im Grunde verschlossen, vereinzelt und ohne wirkliche Anbindung. Dementsprechend kränkelt der Mensch und tappt ohne Sinn und Empfinden durch die Welt.
Und dennoch auch der abgestumpfte, empfindungslose und seelenlose Mensch bleibt ein eingebetteter Mensch. Er fällt nicht aus der Natur, nicht aus der Gemeinschaft und nicht aus der Liebe. Er bleibt von der Schöpfung und all ihren Monaden umschlossen und ist somit auch in seiner Vereinzelung mit allem eins, wie es das schöne Wort All-ein-sein in seiner Doppeldeutigkeit benennt.
Das heißt, die Schönheit der Schöpfung ist immer da und wir stehen stets mitten in ihr. Wir müssen nur … Nein! Wir müssen gar nichts! – Nehmen Sie sich das bitte zu Herzen, und tun sie gar nichts. Seien Sie nur da, staunen Sie und wundern Sie sich, versuchen Sie nicht, offen zu sein, denn das verschließt Sie. Seien Sie nur achtsam. Achten Sie aber nicht auf Ihre Achtsamkeit, das würde Sie nur ermüden. Achten Sie nur darauf, wenn Sie Ihr All-ein-sein verlieren. Tun Sie freilich nichts, wenn Sie es bemerken. Es richtet sich von all-ein …