Am 30. Mai vor sieben Jahren starb Karl-Heinz Jaeckel, mein Schwiegervater. Am 13. März konnte er nicht mehr schreiben. Man vermutete zunächst einen Schlaganfall, diagnostizierte jedoch alsbald einen Gehirntumor (Glioblastom). Die Krankheit schritt rasch voran. Alsbald verlor er seine sensorische Koordination und sein Artikulationsvermögen. Wenige Tage danach war er halbseitig gelähmt. Seine intellektuelle Wahrnehmung blieb bis zu seinem Tod uneingeschränkt.
Karl-Heinz Jaeckel war ein Raja-Yogi und galt einer Schar von Menschen als Guru. Zudem war er Fotograf und Schriftsteller. Wobei er als Autor vor allem als Ghostwriter wirkte. In dieser Eigenschaft verfasste er mehrere Werke zum positiven Denken, die weltweit Millionenauflagen erzielten.
In geistlicher Hinsicht waren wir uns beide ein steter Stein des Anstoßes. Da wir grundsätzlich verschiedene Ansichten zur Spiritualität, Mystik und Religion pflegten. Dieser Dissens war uns eine gemeinsame Anregung und bot uns beiden Gelegenheit, voneinander zu lernen.
In den drei Monaten seines Siechtums erstellte ich die folgenden sechs Zeichnungen zu seinem Leiden und Sterben. Jede Zeichnung zeigt jeweils eine Station seines Leidens. Zudem entstanden während seiner letzten vierzehn Tage neun Haiku, mit denen ich Momente seines Sterbens festhielt. Die Haiku habe ich den einzelnen Zeichnungen zugeordnet.
Am Pfingstsonntag – drei Tage vor seinem Tod – fiel im Garten vor dem Fenster seines Sterbezimmers eine weiße Taube tot vom Baum. Die Erinnerung an dieses Omen krönt sein entseeltes Gesicht auf der letzten Zeichnung.
Alles durchblickend
Auf Irrwegen gewandert
Und dennoch im Ziel.
Am Ziel angelangt
Versiegten seine Worte,
Hörbar nur der Quell.
So oft das Ringen
Mit dem Tod im Kopf geübt,
Dennoch überrascht.
Mairegen zerstäubt
Viel zu frühe Sommerglut.
Wieder kühl der Tod.
Einem Lichtstrahl gleich
Fällt die Taube vom Himmel.
Mit ihr fällt der Geist.
Vom Regen durchnässt
Liegt die Taube tot im Gras.
Absturz zu Pfingsten.
Zieh – aus, der Atem
Zug um Zug zum Ende hin.
Zieh – aus, noch Leben.
Rosen bedecken,
Was dir Heimstatt gewesen.
Nie warst du so fremd.
Gen Abend umspielt
ein Lächeln kalte Lippen.
Die Einkehr des Toten.
Die Zeichnungen haben mir die Tränen in die Augen getrieben. Man spürt durch Deine Zeichnungen wie die Krankheit Deinen Schwiegervater befällt, dann einnimmt und dann übernimmt, das Leben einfach aus ihm herauszieht… 😦
R.I.P., lieber Guru!
Danke für Dein Mitgefühl.
Danke. – Ja, er ruht in Frieden.
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