Zeichen setzen

Cabame © Matthias Mala

Cabame © Matthias Mala

 Am Vorabend zu Heilig Drei König hatte er die Cabame von der Haustüre gewischt und ein Stück Kreide zur Weihe in Salz gelegt. Cabame heißt das Zeichen der Sternsinger. Doch bei ihm kommen schon lange keine Sternsinger mehr vorbei. Er gilt dem Pfarrer als Heide, weil er so ganz eigene Vorstellungen von Gott und der Welt hat. Am Dreikönigsmorgen ging er räuchernd durch sein Haus und räucherte in allen Räumen die Ecken aus, um die Geister und schlechten Stimmungen, die sich dort übers Jahr eingenistet haben mögen, zu vertreiben. Schließlich ließ er frische Luft über die Haustüre herein und zeichnete die Cabame für dieses Jahr auf das Türblatt. Er räucherte davor, machte Kreuzzeichen und sprach ein Gebet. Dann ging er singend mit der Weihrauchampel erneut durch alle Räume und räucherte sie aus. Schließlich öffnete er die Fenster und frische Winterluft durchflutete das ganze Haus. Wohlgefühl und Frieden umstimmten ihn. Es war ein guter Morgen. Es war ein guter Anfang.

Sichtbare Zeichen sind ein Bekenntnis. Wer Zeichen setzt, steht zu ihren Botschaften. Zeichen müssen nicht autorisiert sein. Sie erhalten Beachtung durch jene, die sie zu deuten wissen. Wer keine Cabame kennt, wird sie kaum bemerken und vermag sie nicht zu achten. Wer sie aber kennt, weiß, hier sucht jemand Schutz bei einer höheren Macht. Hinter dieser Türe leben gläubige Menschen. Christus segne dieses Hauses, heißt der Satz, der sich lateinisch aus den Buchstaben C, M, B der Cabame bilden lässt. Im Volksmund stehen die Buchstaben für die Heiligen Drei Könige: Caspar, Melchior und Balthasar. Und jeder, der diese Kreideschrift an einer Türe erkennt, trägt den Wunsch nach Behütetsein mit sich fort und verstärkt ihn zugleich für das Haus, an dem der Zauber prangt.

Diese Form der Zeichensetzung finden wir in jeder Kultur; zum Beispiel die tibetanischen Gebetsfähnchen, die auch hierzulande öfters vor Häusern und Wohnungen im Wind flattern. Aber auch in profaner Weise werden allüberall Zeichen gesetzt, egal ob wir im Trikot unseres Lieblingsvereins auf die Straße gehen oder eine politische Botschaft sichtbar auf unserem Leiberl tragen.

Zeichen sind Kommunikation. Sie sprechen zu uns selbst, bezeugen unsere Zugehörigkeit und sprechen andere an, unsere Position zur Kenntnis zu nehmen. Zeichen setzen wir auch dort, wo wir keine expliziten Zeichen zeigen; zum Beispiel durch unsere Kleidung, unsere Frisur, unsere Habe, unseren Lebensstil. Wir geben uns über die gesetzten Zeichen zu erkennen. Ja, wir wollen durch sie erkannt werden!

Erkannt zu werden, festigt den eigenen Standpunkt. Man wird zugeordnet und mit positiven oder negativen Vorurteilen belegt. Man macht sich einschätzbar. Das macht manches leichter, aber es verflacht auch die Wahrnehmung. Wir können uns nämlich auch hinter unseren Zeichen verstecken. Mehr sein, als scheinen, heißt die Weisheit dazu; denn Zeichen gaukeln auch etwas vor. Größe oder Bescheidenheit, Reichtum oder Armut, Bildung oder Dummheit, Benimm oder Rüpelhaftigkeit zeigen wir meist schon durch unsere Zeichen noch ehe wir diese Einschätzung auch durch unser Verhalten bestätigen oder konterkarieren. Diesen durch Zeichen gesetzten ersten Eindruck zu widerlegen, ist bekanntermaßen schwierig, weswegen wir uns überwiegend an den Zeichenkodex halten.

Ohne Zeichen zu setzen, können wir nicht miteinander leben. Wir setzen sie und sehen sie. Sie sind Basis jeder Kommunikation. Sie sind nicht nur eine Demonstration unserer Geisteshaltung, sie machen auch etwas von sichtbar, wenn wir selbst nicht da sind. Man braucht dazu nur über einen Friedhof gehen und dort die Zeichen der Konvention als auch der Nonkonformität lesen.

Zeichen dienen allerdings nicht nur der Kommunikation hienieden, sondern auch der Kommunikation mit dem Himmlischen oder dem Transzendentalen. Sich dahingehend über ein Zeichen kenntlich zu machen, heißt, man möchte vom Geist erkannt werden. Frömmler haben es da einfach, sie behängen sich mit Kreuzen, Sternen, Siegeln und sonstigem Tand, in der Hoffnung ihre höhere Macht erhebt sie so ausstaffiert.

Doch wem an einer wirklichen Begegnung mit dem Spirituellen gelegen ist, der kreiert die Zeichen hierfür in sich und aus sich heraus. Es sind keine äußerlichen, keine sichtbaren Zeichen, sondern sie sind wie alle Mystik im Prinzip Augenblicke einer inneren Kommunikation. Die Geisteshaltung wird zum Zeichen. Und das einzige Signum, das eine spirituelle Geisteshaltung ausdrückt, ist letztlich die Demut. Sie schöpft sich aus der Bescheidenheit gegenüber der Schöpfung und dem Zweifel an der eigenen Glaubensgewissheit. Denn Nichtwissen, die Begrenztheit und Fadenscheinigkeit unserer Wahrheiten, ist das einzige Wissen, dass uns gerecht ist. Und nur wenn wir diese Begrenztheit in uns immer wieder ausloten und unsere Hybris erkennen, sind wir im Stand der Demut und bereit für die Kommunikation mit dem Spirituellen. – Wir werden ihr gerecht. – Wobei unser Part sich dabei auf Sehen, Lauschen und Empfinden beschränkt, denn wir werden angesprochen. Und wir werden nur dann etwas vom Unbegrenzten vernehmen, wenn wir entleert, sprich ohne konkretes Zeichen sind. Denn mit jedem Zeichen behaupten wir uns als Wissende und leugnen unsere Demut. Erst wenn die Leere uns auszeichnet, sind wir bereit, für die Kommunikation mit dem Jenseitigen.

Wenige Menschen tragen die Leere als Zeichen mit sich. Die, die es tun kann man an ihrem Gesicht erkennen. Es ist nicht anders als jedes andere und dennoch ist es ein anderes als jedes andere Gesicht. – Es ist ein Gesicht voll Liebe!

 

Ein Kommentar zu “Zeichen setzen

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