Die Schneedecke war aufgebrochen. Daneben ein Haufen aufgeworfene Erde. Eine Grube, ungewöhnlich tief für ein Grab. Als das letzte Lied für die Verstorbene erklang, verstummten die Krähen, dafür sang eine Amsel. Reihum warf ein jeder eine Schaufel Erde auf den Sarg in der Grube und eine Handvoll Rosenblätter hinterher.
Im Wirtshaus fand man sich zur Leich ein. Die Wärme tat gut, und man dachte an die Kälte auf dem Friedhof. Ob die Verstorbene jetzt frieren würde? Nein, unter der Erde würde es ihr sogar warm werden. So sinnierte man vor sich hin, über die Tote, über ihr Leben, über dies und das und immer wieder gab es eine Verdrehung, die die Gesellschaft lachen ließ. Es war wie so oft auf einer Leich, Trauer und Witz vermischten sich, zur Melancholie des Übergangs. Denn jedes Sterben ist ebenso Verlust wie Gewinn von Leben. Es schafft Raum für Wandlung.
Melancholie ist eine Melange aus Weinen und Lächeln. Weinen über den Trübsinn des Daseins, sowie lächeln über dieses Kümmernis. Denn im tiefen Ernst liegt zugleich seine Absurdität. Deshalb, wertlos auch eine verkniffene Weltsicht, angesichts des Fakts, dass wir alle sterben müssen. Alle Aufregung, alle Sorge, alle Leidenschaft werden im Moment unseres Todes bedeutungslos. Selbst unsere großartigen Verfügungen über den Tod hinaus sind dann ohne wirklichen Belang. Wer darüber traurig schmunzeln kann, offenbart im Abgang Weisheit.
Es ist Humor, der uns die Relativität des Lebens, die Doppelbödigkeit von Gesetz und Moral, von Vernunft und Gefühl, von Wunsch und Wirklichkeit, von Wahrnehmung und Umsetzung erkennen und darüber erheitert lachen lässt. Das Lachen gibt uns zum einen Kraft, derlei Verrücktheiten zu ertragen, und verleiht uns zum anderen den Elan, das Mögliche vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Auch wenn diese Korrektur bei genauerer Betrachtung ihrerseits den ihr immanenten Unsinn erkennen lässt.
Wäre darüber kein Lachen mehr, blieben wir ohne Lebensmut und glitten von der Melancholie in die Depression und könnten ob der Absurdität des Lebens nur noch weinen. So aber lachen wir selbst über unseren korrigierenden Eifer, weil wir erfassen, dass der Unsinn durch keine Korrektur aus der Welt zu schaffen ist. Ja, dass unser Verlangen nach Beständigkeit und Sicherheit selbst purer Unsinn und nur mit einer guten Prise Humor zu ertragen ist. Schließlich korrigiert die Menschheit in diesem Sinne ihr Geschick seit unzähligen Jahrtausenden. Das Ergebnis ist bescheiden. Mögen wir auch mehr wissen, die Dummheit wurde deswegen nicht geringer. Unsere Welt wurde nur komplizierter, und der Omnizid, die totale Vernichtung allen menschlichen Lebens, zur allgegenwärtigen Option.
Humor macht selbst das Leben am Abgrund leichter. Er ist das Schmiermittel, dank dem wir über den gröbsten Unsinn hinwegschlittern und uns mit einem zwar bitteren Lachen gar Unerträgliches noch erträglich machen. Humor ist somit die einzig vernünftige Antwort auf den alltäglichen Wahnsinn unseres Lebens.
Doch was geschieht, wenn wir in die Schelmenhaut schlüpfen und die Narren zum Narren halten und sie samt ihrer Welt auslachen? Wir katapultieren uns mit jedem Lacher aus der Welt und finden uns doch in ihr wieder. Freilich sind wir dann nicht mehr dieselben, die ihr entfleuchten, sondern Gewandelte, Verkehrte, Umgepolte, die nicht mehr ins gewohnte Schema passen. Wir haben einen anderen Blick gewonnen und mit ihm eine andere Dimension, eine andere Welt entdeckt. Es ist nicht die Welt der Macher und ihrer Widersacher. Diese Figuren haben wir aus der Welt gelacht. Es ist eine Welt voll Heiterkeit. Eine solche Welt wird heil, weil sie ebenso entwichtigt wurde, wie man Mineralwasser enteisent herstellt, indem man ihm das Eisen entzieht. Es ist zwar eine kleine Welt, weil sie nicht viele erleben; aber es ist eine reale Welt und das allein zählt.
Beim aus-, hinaus- und hinüberlachen hilft das neue Heft der Connection Spirit 03-04/13 mit dem Schwerpunktthema „Bewusstseinserheiterung – Humor als spiritueller Weg“. Mein Beitrag in diesem Heft lautet: „Schöpferischer Humor“.